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„Unsere Herzen sind sehr schwer. Wir fühlen große Trauer.“ Mit diesen Worten bringt DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich das auf den Punkt, was viele Menschen empfinden angesichts des Todes von Doris Fitschen, die am Samstag gestorben ist.

In den Nachrufen steht, dass die Gesamtkoordinatorin Frauenfußball des DFB ihren Kampf gegen den Krebs verloren hat. Das ist inhaltlich zwar richtig, doch die geübte Formulierung richtet den Fokus auf eine Niederlage, die sie nicht abwenden konnte. Fitschen aber war eine Macherin und, so sagen es enge Weggefährt*innen, bis zuletzt eine, für die das Glas immer „halb voll“ war. Wir wollen deshalb über ihre gewonnenen Kämpfe reden.

Dafür haben wir Nachrichten von unseren Hörer*innen ebenso gesammelt wie von Personen, die einen Stück des Weges mit Fitschen gegangen sind. Entstanden ist so ein Rückblick auf das Leben einer Person, die den Fußball der Frauen auf und neben dem Platz geprägt hat, wie kaum eine Zweite. Danke allen, die dazu beigetragen haben.

Wenn ihr parallel zum Hören oder im Nachgang Fotos zu einigen Stationen ihres Lebens anschauen möchtet, gibt es hier eine Bilderstrecke.

Unser Beileid gilt Doris Fitschens privatem Umfeld, ihren Kolleg*innen und allen, denen sie besonders fehlen wird.

Wir lieben, was wir tun, aber wenn es euch möglich ist, freuen wir uns, wenn ihr den Podcast und die Bolztribüne einmalig oder regelmäßig unterstützt. So können wir hoffentlich immer mehr Zeit in unsere Herzensprojekte stecken. Die Unterstützung ist jetzt einfacher als bisher, denn wir sind nun eine Marke und eine GbR und haben ein Geschäftskonto:
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Becker & Pfeiffer

Bluesky

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Shownotes/Links/Quellen

Transkription der Episode anzeigen

Annika Becker
0:00:20–0:00:27
Ja, hallo und herzlich willkommen zu Folge Nummer 76 von Becker und Pfeiffer, der Fußball-Podcast.
0:00:28–0:00:32
Mein Name ist Annika Becker und ich spreche wie immer mit der lieben Mara Pfeiffer.
0:00:32–0:00:34
Hallo erstmal, liebe Mara.
Mara Pfeiffer
0:00:34–0:00:37
Hallo, liebe Annika. Hallo, liebe Zuhörer*innen.
Annika Becker
0:00:37–0:00:42
Und wie ihr vermutlich auch schon am Titel der Folge gesehen haben werdet,
0:00:42–0:00:48
haben wir heute eine Sonderfolge aus traurigem Anlass,
0:00:48–0:00:53
weil Doris Fitschen verstorben ist und wir uns gedacht haben,
0:00:54–0:01:00
dass wir diese Folge gerne ihr widmen möchten, ihrem Leben, ihrem Wirken und
0:01:00–0:01:02
das machen wir auch nicht komplett alleine.
0:01:02–0:01:05
Wir haben im Laufe der Sendung, das kann ich glaube ich schon mal verraten,
0:01:06–0:01:13
immer mal kurze Einspieler von verschiedenen Personen, die ihr im Leben begegnet
0:01:13–0:01:18
sind und auch von Leuten, die einfach ihre persönlichen Eindrücke teilen.
0:01:20–0:01:25
Und wir unterhalten uns heute über Doris und erinnern uns an sie.
Mara Pfeiffer
0:01:25–0:01:31
Das war uns nämlich wichtig, zum einen das tatsächlich zu machen in einer monothematischen
0:01:31–0:01:39
Folge und zum anderen aber auch eben nicht einfach nur biografische Daten zu erzählen.
0:01:39–0:01:44
Wobei, wenn man da ein bisschen tiefer sucht, das werdet ihr feststellen,
0:01:44–0:01:47
findet man auch die eine oder andere wirklich schöne Anekdote.
0:01:48–0:01:52
Aber uns ist es ja beiden dann auch immer wichtig, eben sowohl Weggefährt*innen
0:01:52–0:01:57
zu Wort kommen zu lassen, als auch Personen, die eben sie auch wahrgenommen
0:01:57–0:02:00
haben als Spielerin und als Funktionärin.
0:02:00–0:02:02
Wir haben so ein bisschen drüber nachgedacht.
0:02:02–0:02:07
Also natürlich, Annika hat es gerade schon gesagt, es ist ein trauriger Anlass.
0:02:08–0:02:13
Und Mitte 50 an Krebs zu sterben ist einfach sehr beschissen.
0:02:14–0:02:22
Trotzdem wollen wir auch die positiven Sachen, die sie in ihrem Leben geleistet
0:02:22–0:02:25
und erlebt hat, ganz klar in den Vordergrund stellen.
0:02:25–0:02:28
Ich fand es sehr bezeichnend, dass man,
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wenn man Texte zu ihr liest oder auch Interviews mit ihr liest,
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immer wieder eben über dieses Zitat stolpert, was ja auch beim DFB in der Pressemeldung
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auftaucht, dass das Glas für sie immer halb voll war.
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Also wohl dann auch zuletzt noch mit der Krankheit.
0:02:46–0:02:52
Man findet diese Aussage über sie und von ihr aber auch eben schon lange vor der Diagnose.
0:02:52–0:02:58
Und deswegen erlaube ich mir, mit einer etwas leichteren Anekdote einzusteigen.
0:02:59–0:03:03
Viele von euch haben das, glaube ich, mittlerweile über die sozialen Medien mitbekommen.
0:03:03–0:03:10
Ich bin ja gerade umgezogen aus großen privaten Veränderungsgründen und so ein
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Umzug ist eine extrem nervige und stressige Angelegenheit, finde ich,
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wenn man den so neben allem anderen irgendwie auch noch durchführen muss.
0:03:19–0:03:23
Und als ich hier angefangen habe in der neuen Wohnung, in der ich jetzt
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mittlerweile seit etwas über einer Woche bin, kann ich ja auch noch sagen, am 9.3.
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umzuziehen. Das war eher Zufall, dass es dann auf diesen Tag gefallen ist,
0:03:33–0:03:35
war mir natürlich auch ein inneres Blumenpflücken.
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Und hier wurden irgendwann mal Fliesen verlegt im Eingangsbereich,
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offensichtlich ohne genau abzumessen, dass da hinterher noch alle Türen drüber
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gehen, ohne die Fliesen zu zerkratzen.
0:03:50–0:03:54
Und dann habe ich überlegt, es gibt doch diese Teile, die man irgendwie bei
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der Tür auf die Zargen macht, damit die Tür halt wieder ordentlich auf und zu geht.
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Und darüber habe ich mich mit Annika ausgetauscht und Annika hat mir dann mit
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großer Begeisterung geschrieben, dass die Fitschenringe heißen.
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Und das, also abgesehen davon, dass wir tatsächlich Mitte Januar bei einer Veranstaltung
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Doris beide nochmal kurz gesehen haben,
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ohne natürlich wissen zu können, dass es das letzte Mal ist,
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habe ich halt wirklich vor zehn Tagen im Baumarkt gestanden,
0:04:28–0:04:32
vor dem Regal mit diesen Fitschenringen und mir halt total einen Wolf gefreut
0:04:32–0:04:35
und an sie denken müssen.
0:04:36–0:04:44
Das vielleicht mal zum Einstieg. Ich würde vielleicht mal loslegen mit den biografischen Daten auch.
0:04:44–0:04:50
Wir haben uns das so gedacht, wir erzählen ihr Leben so ein bisschen nach anhand dessen,
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was natürlich auch öffentlich bekannt ist oder was es eben so an Anekdoten zu
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uns geschafft hat und unterbrechen das quasi immer wieder mit den Einspielungen
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von Sprachnachrichten, die wir bekommen haben.
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Oder teilweise haben wir auch Textnachrichten bekommen, die würden wir euch dann vorlesen.
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Was ich sehr schön fand, wir verlinken euch natürlich auch viele,
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viele Texte über sie in den Shownotes, war, also das in einer lokalen Zeitung von ihr,
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aus ihrer Heimatregion eben auch heute direkten Text erschienen ist,
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wo man nachlesen konnte, sie wurde ja im Oktober 1968 geboren in Zeven und ist
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aufgewachsen in Osenhorst auf dem Bauernhof ihrer Eltern.
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Und sie hat selber mal in einem Interview gesagt, dass ihre Eltern überhaupt
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nicht so begeistert davon waren, dass sie Fußball spielen wollte,
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sondern dass sie am Anfang im Gegenteil versucht haben, das zu verbieten.
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Und es gab einen Lehrling auf dem Hof ihrer Eltern, der aber dem Ehepaar Ratjhen, Inge
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und Fritz Rathjen, die damals beim FC Hesedorf den Mädchenfußball gerade
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an den Start gebracht haben, den Tipp gegeben haben,
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dass sie gut mit dem Ball sei, als kleines Mädchen schon.
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Und Fritz Rathjen hat jetzt zum Anlass ihres Todes gesagt: "Da haben wir sie dann eingefangen".
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Also, sie sind dann dahin und haben sie quasi vom Hof weg gescoutet.
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Die beiden haben sowieso eine große Rolle gespielt, in
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der Anfangszeit ihrer Karriere haben sie auch viel gefahren zu Trainings
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und zu Auswahlturnieren.
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Und Inge Rathjen erzählt eben in diesem Artikel auch,
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dass sie als Doris Fitschen dann 2001 nochmal für einige Monate in den USA gespielt
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hat, von ihr auch nochmal dorthin eingeladen wurden, um sie da spielen zu sehen.
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Und weil die Mädels damals nicht vom Fleck weg total torgefährlich waren,
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hat Fritz Rathjen dann ausgelobt, dass für jedes Tor die Mädels zwei Mark bekommen haben.
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Das heißt, dann hat sie damals als Neunjährige ihr Geld mit Toren verdient.
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Und er hat über sie gesagt, sie war die Kleinste und Zierlichste,
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aber das Talent hat man ihr gleich angesehen und Angst vor den Großen hatte sie keineswegs.
Annika Becker
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Sie hat auch angefangen übrigens tatsächlich im Sturm zu spielen, ganz am Anfang.
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Also später im Laufe der Karriere war das dann nicht mehr so.
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Da war es dann in der Innenverteidigung oder man würde sagen Libero oder Libera-Rolle,
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Mittelfeld teilweise auch.
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Da werden wir auch später noch ein bisschen was dazu hören. Ich würde sagen,
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wir hören jetzt vielleicht mal die erste Nachricht, die wir bekommen haben und
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die ist von Sabine Mammitzsch, DFB-Vizepräsidentin Frauen- und Mädchenfußball,
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die sich heute vom Flughafen gemeldet hat.
Sabine Mammitzsch
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Der Verlust von Doris ist nicht in Worte zu fassen. Es schmerzt.
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Sie fehlt einfach. Es ist für mich auch überhaupt noch nicht realisierbar.
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Ich habe Doris vor über 30 Jahren als aktive Spielerin kennengelernt und unsere
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Wege haben sich immer wieder gekreuzt bis hin zu unserer gemeinsamen Vision FF27,
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als sie als Gesamtkoordinatorin und ich als zuständige Vizepräsidentin an einer
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Strategie gemeinsam gearbeitet haben.
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Ich habe sie immer als empathisch, zielstrebig, kompetent, humorvoll und als
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liebenswert geschätzt und kennengelernt und begleitet.
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Eben ein sehr besonderer Mensch.
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In ihrem Sinne werden wir uns als DFB für den Frauenfußball mit Überzeugung
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und Kraft auch weiterhin einsetzen.
Annika Becker
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Wie Mara gerade schon erzählt hat, waren Doris Fitschens Eltern keine großen
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Fußballfans und hatten anfangs nicht wirklich Verständnis dafür,
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dass ihre Tochter Fußball spielen wollte.
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Nichtsdestotrotz kam es dann zusammen mit den Rathjens zum Wechsel zur TuS Westerholz.
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Das war sportlich auch durchaus erfolgreich.
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Über mehrere Aufstiege ging es hoch bis in die Landesliga.
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Es gibt ein Zitat von Mitspielerin Iris Schmökel und zwar, Zitat,
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"1986 wurden wir DANA-Cup Sieger vor großer Kulisse.
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Doris als Ausnahmespielerin, die in den Finalspielen einen Strafstoß verursachte,
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sich selbst die Torwarthandschuhe anzog und den Strafstoß hielt. " Das
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stelle ich mir sehr legendär vor.
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Ich glaube, also wenn sowas in der heutigen Zeit mit den heutigen Medien und
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Social Media passieren würde, würden sich da alle so mindestens mal eine ganze
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Woche lang über nichts anderes unterhalten wahrscheinlich.
Mara Pfeiffer
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Das ist quasi Ann-Katrin Berger andersrum.
Annika Becker
0:09:57–0:09:59
Ja, ja. (Lachen)
Mara Pfeiffer
0:09:59–0:09:59
Ja,
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sie ist dann 1988 nach Wolfsburg gegangen und hat da für VfR Eintracht Wolfsburg
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gespielt und dort auch den Start der Bundesliga erlebt.
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1991/1992 war sie dann Top-Torschützin der Nordgruppe mit 16 Treffern.
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Und wie das ja heute noch vielfach so ist, hat sie nebenher eine Berufsausbildung
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gemacht nach dem Abitur zur Industriekauffrau.
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1992 ist sie dann zum TSV Siegen gewechselt.
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Es hat, finde ich, schon immer so eine besondere Einordnung fast von sich aus,
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wenn man Biografien von Spielerinnen aus dieser Zeit liest und eben mit Vereinsnamen,
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die heute alle so nicht mehr existieren oder diese Rolle eben nicht mehr spielen im Fußball der Frauen.
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Mit dem TSV Siegen ist sie zweimal Meisterin geworden und hat einmal den DFB-Pokal gewonnen.
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1995 hat sie sich dann das Kreuzband gerissen und musste, wobei wir zu ihrer
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Nationalelf-Karriere gleich noch kommen, eine EM und eine WM von der Tribüne aus schauen.
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Und 1996 kam dann eben der Wechsel zu SG Praunheim.
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Da gab es 1999 den Doublesieg, schon als 1. FFC Frankfurt und 2000 wurde
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dann der DFB-Pokal gewonnen.
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Und was da vielleicht noch ganz spannend ist, also 1996 ist sie dahin gewechselt
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und 1997 hatte sie ein Angebot nach Japan zu wechseln.
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Und da aber der DFB damals damit gedroht hat,
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dass Spielerinnen, die im Ausland sind, nicht mehr berufen würden für die Nationalelf,
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hat sie darauf tatsächlich verzichtet und hat dann stattdessen den Vertrag in
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Frankfurt eben verlängert.
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Und sie hatte in Siegen schon angefangen, BWL zu studieren, hat das in Frankfurt
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dann fortgeführt und dann aber auch angefangen, schon beim DFB zu arbeiten.
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Aber wo wir jetzt gerade beim SG Praunheim sind, Annika, magst du vielleicht
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mal anfangen, die Erinnerungen von Carmen Heller aus dieser Zeit vorzulesen?
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Ja, und das ist was, was man, finde ich, in all diesen sowohl Nachrufen als
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auch in den Nachrichten, die wir jetzt bekommen haben, sehr deutlich eben raushört,
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diese große Liebe für diesen Sport.
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Wenn wir mal zurückgehen in ihre Vita, dann ist es tatsächlich so,
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dass sie als 17-Jährige schon in die Nationalelf gekommen ist, 1986.
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Insgesamt hat sie 144 Spiele im Nationaldress absolviert und sie hat mal in
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einem Interview erzählt, dass es schwierig war tatsächlich in der Schule,
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weil natürlich die Freistellung für die Nationalelf, also die Berufung dann
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häufig eben in ganz normale Schulzeit gefallen ist.
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Und ihr Klassenlehrer da überhaupt nicht begeistert von war.
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Aber sie hat dann gesagt, sie hatte das große Glück, dass der Direktor ihrer
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Schule ein absoluter Fußballfan war und dann erwirkt hat, dass sie da eben tatsächlich hinkonnte.
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Ihre Trikotnummer war die 5 und sie gehörte zu dem Team, das 1989 eben die EM
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in Deutschland, also die Heim-EM gewonnen und damals das legendäre Kaffeeeservice bekommen hat.
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Und ist damit auch sehr selbstironisch umgegangen, hat auch vor gar nicht allzu
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langer Zeit mal nochmal ein Shooting da mit gehabt,
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wo sie also zu dem Interview und dem Shooting mit ihrem Original-Kaffeeservice
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in einer Tasche schön irgendwie ordentlich eingepackt, die einzelnen Teile angereist ist.
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Insgesamt ist sie viermal Europameisterin geworden als Spielerin und das,
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obwohl sie eben, wie gesagt, die eine EM dann verletzt verpasst hat.
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Sie hat mal gesagt, die EM 1989 war schon etwas Besonderes.
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Das Halbfinale damals gegen Italien war das erste Spiel überhaupt von den DFB-Frauen,
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das jemals im TV übertragen wurde.
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Den Sieg im Elfmeterschießen sahen damals mehr Zuschauer*innen als parallel ein
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Spiel von Steffi Graf, das also auf einem anderen Sender lief.
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Also plötzlich gab es da dieses Team aus Frauen, die eben auch Fußball gespielt haben.
Annika Becker
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Das Finale von der EM gegen Norwegen fand ja in Osnabrück statt,
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was aus heutiger Sicht, glaube ich, auch, also es wäre eine gute Quizfrage,
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weil ich kann mir vorstellen, dass Menschen, die das nicht so aktiv miterlebt
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oder mitverfolgt haben, das nicht unbedingt wissen, dass es in Osnabrück mal ein EM-Finale gab.
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23.000 Menschen waren da und Doris
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Fitschen war mit 20 Jahren die jüngste Spielerin des gesamten Turniers.
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Sie hat in einem Artikel, den ich auch gelesen habe, zur Vorbereitung erzählt,
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dass es sich unfassbar besonders angefühlt hat, weil die Spielerinnen standen
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auf dem Platz und es sollte eigentlich demnächst losgehen.
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Und dann gab es aber vom Stadionsprecher noch eine Durchsage,
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der die Zuschauer*innen gebeten hat, noch enger zusammenzurücken,
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weil draußen vor dem Stadiontor noch so viele Leute warten, dass sie reinkommen
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können, um dieses Spiel zu sehen.
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Was ja auch, also sie hat es so erzählt, dass sie eben in den Wochen davor ja
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vielleicht so vor 50 oder mal maximal mehreren hundert Leuten gespielt haben.
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Und auf einmal hast du da 23.000 Leute.
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Das ist ja dann wirklich auch eine Hausnummer.
Mara Pfeiffer
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Ja, auf jeden Fall. Und einer, der früh aufmerksam geworden ist auf Doris Fitschen,
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der sie dann lange als Manager begleitet und ihre Karriere dann an der einen
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oder anderen Stelle natürlich auch mitgeprägt hat, ist Siegfried genannt
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Siggi Dietrich, der lange ja den Fußball der Frauen in Frankfurt
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eben auch mitgeprägt hat.
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Und aus dem Nachruf der Eintracht lesen wir euch jetzt mal seine Worte vor.
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"Mit großer Bestürzung und tiefer Trauer habe ich von Doris Fütschens Tod erfahren.
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Ich durfte als Manager der SG Braunheim und des 1. FFC Frankfurt sowie zeitweise
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als ihr persönlicher Berater Doris Weg seit ihrem Wechsel 1996 nach Frankfurt begleiten.
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Und habe sie als großartige Persönlichkeit und Weltklasse-Fußballerin kennengelernt.
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Doris war bis zuletzt in ihren verschiedenen Funktionen beim DFB die richtungsweisende
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Initiatorin vieler Entwicklungen im deutschen und internationalen Frauenfußball,
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dem sie immer mit viel Herzblut verbunden war.
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Sie wird für immer eine Legende unseres Sports und ein Teil der großen Frankfurter
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Frauenfußball-Erfolgsgeschichte bleiben.
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Ich werde Doris als grandiose Spielerin, starke Macherin und wunderbaren Menschen
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vermissen, der leider viel zu früh von uns gegangen ist."
Annika Becker
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Wenn wir zurück zur Biografie kommen, dann folgte als nächste größere Station
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1991 die erste WM in China.
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Und ich denke, wenn ihr auch nur einen der Nachrufe gelesen habt,
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dann wird euch das wahrscheinlich begegnet sein, dieser Vergleich,
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der von genau diesem Turnier stammt, sie sei der "weibliche Beckenbauer",
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was von einem Journalisten bei diesem Turnier stammte,
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der eben fasziniert war von ihrer Größe und dass sie eben so dieselbe Position
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gespielt hat, aber so richtig hundertprozentig passte das nicht.
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Und ich glaube, wenn man auch schon vorher sie selber darauf angesprochen hat,
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das findet man in sehr vielen Berichten wieder,
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dann hat sie selber sich zwar irgendwie geschmeichelt gefühlt davon,
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aber sich nicht so richtig damit wohl gefühlt, zumal das ja auch sowas ist,
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was inzwischen eigentlich wirklich auch gar nicht mehr gemacht wird,
0:20:10–0:20:13
dass man über Spielerinnen so drüber stülpt,
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dass es "die weibliche Messi" oder "die weibliche Beckenbauer" ist, wiein diesem Fall.
Mara Pfeiffer
0:20:20–0:20:26
Ich finde ja, da bist du sehr optimistisch, weil das wird ja teilweise leider
0:20:26–0:20:27
Gottes schon noch gemacht.
0:20:27–0:20:31
Aber der Witz ist halt, dass Doris Fitschen ja eine von den Personen ist,
0:20:31–0:20:34
die sich immer total dafür eingesetzt hat, dass diese Vergleiche nicht gezogen werden.
0:20:35–0:20:40
Jetzt könnte man natürlich witzeln mit "von hinten mit den kurzen Haaren und der 5" und so.
0:20:40–0:20:47
Aber ja, da habe ich heute drüber nachdenken müssen, als dieser Spot vom DFB veröffentlicht wurde.
0:20:48–0:20:54
Mit dem Legendentrikot haben sie ja wirklich, muss man sagen,
0:20:55–0:20:56
also das kann schon was, dieses Video.
0:20:57–0:21:00
Und dann schaut es euch mal an.
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Es gibt dann die Szene, wo es quasi so darum geht, wir müssen noch so ein bisschen
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Legende mit reinmischen.
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Dann wird da halt so dieses große Trikot mit der 5 aufgebläht.
0:21:09–0:21:13
Und das war heute natürlich auf eine Art total passend, auch wenn leider ziemlich
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sicher nicht Doris Fitschen damit gemeint war.
Annika Becker
0:21:16–0:21:18
Ja, das stimmt.
Mara Pfeiffer
0:21:18–0:21:23
Apropos Legende, natürlich gehört sie zu den Legenden des Fußballs der Frauen
0:21:23–0:21:30
ganz eindeutig dazu und sie war tatsächlich 1997 auch die erst vierte Frau,
0:21:30–0:21:35
die das hundertste Spiel im DFB-Dress, da sind wir wieder, gemacht hat,
0:21:35–0:21:37
nämlich nach Silvia Neid,
0:21:38–0:21:40
Martina Voss und Heidi Mohr.
0:21:40–0:21:49
Und 2000 hat sie mit der Nationalelf bei den Olympischen Spielen in Sydney Bronze
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geholt und 2001, ihr letztes Nationalelf-Spiel,
0:21:53–0:21:57
war dann der Finalsieg gegen Schweden.
0:21:59–0:22:03
Vielleicht lassen wir an dieser Stelle mal Claudia Neumann zu Wort kommen,
0:22:03–0:22:05
die uns eine Sprachnachricht geschickt hat,
0:22:06–0:22:12
in der sie Doris Fitschen auch so ein bisschen abseits des Spielfeldes einfach
0:22:12–0:22:15
als Mensch in ihrer Bedeutung beschreibt.
Claudia Neumann
0:22:16–0:22:21
Erstmal möchte ich, und das ganz sicher auch stellvertretend für viele Journalisten-Kollegen
0:22:21–0:22:24
und Kolleginnen, mit denen ich übers Wochenende auch gesprochen habe,
0:22:25–0:22:27
meine tief empfundene Trauer und Anteilnahme zum Ausdruck bringen.
0:22:27–0:22:31
Die Nachricht von Doris' Tod, das war wirklich ein echter Schock.
0:22:31–0:22:34
Einige von uns haben sie ja auch noch als aktive Fußballerin erlebt,
0:22:34–0:22:38
also als absolute Top- und Führungsspielerin.
0:22:38–0:22:43
Eine aus der Generation, die noch so viele Widerstände zu bekämpfen hatten,
0:22:44–0:22:49
die damals ihren Sport, ihre Leidenschaft gegen die in jener Zeit wirklich allgegenwärtige
0:22:49–0:22:54
Ablehnung oder gar Belustigung ausgeübt haben, die sich permanent rechtfertigen mussten.
0:22:55–0:23:00
Denn fußballspielende Frauen wurden damals weitgehend abgelehnt von einer immer
0:23:00–0:23:04
noch sehr, sehr patriarchal geprägten Gesellschaft.
0:23:04–0:23:10
Die Generation Fitschen, Neid oder Voss-Tecklenburg hat sich damals nicht einschüchtern lassen,
0:23:10–0:23:16
viel weggesteckt, sich wirklich durchgesetzt und damit auch nachfolgenden Generationen,
0:23:16–0:23:20
besonders die heutige profitiert ja davon, die Wege geebnet.
0:23:20–0:23:24
Allein das verdient unglaublich hohen Respekt und große Anerkennung.
0:23:24–0:23:27
Manchmal werden die Dinge erst in der Retrospektive richtig deutlich.
0:23:28–0:23:32
Aber auch danach hat Doris ja ein Leben für den Frauenfußball gelebt.
0:23:33–0:23:37
Ob als TV-Expertin, als Managerin der Nationalmannschaft,
0:23:37–0:23:43
die damals erste Sponsoren- und Marketingaktivitäten mitinitiiert hat und bis
0:23:43–0:23:48
hin zuletzt im Verband für Frauen und Frauenfußball in dem Projekt FF27.
0:23:49–0:23:54
Ich habe sie immer als wahnsinnig freundliche, weitblickende Person wahrgenommen,
0:23:54–0:23:58
die eine beharrliche Art hatte, die Entwicklung auch voranzutreiben,
0:23:58–0:24:04
ohne den unterschiedlichen Interessenlagen jetzt so extrem auf die Füße zu treten.
0:24:04–0:24:09
Also sie war so eine ausgleichende Person oft in all ihren Bestrebungen.
0:24:09–0:24:13
Ich erinnere mich vor allen Dingen immer ganz gern an die Frühjahre jener Zeit
0:24:13–0:24:19
in Portugal, als die deutsche Nationalmannschaft damals regelmäßig am traditionellen
0:24:19–0:24:21
Algarve Cup teilgenommen hat.
0:24:21–0:24:27
Als Doris dann als Managerin herrlich gelassen, diese ganzen Aktivitäten der Sponsoren,
0:24:27–0:24:32
die damals noch sehr, sehr überschaubare Anzahl der MedienvertreterInnen miteinander
0:24:32–0:24:37
verknüpfte und das Ganze immer im Sinne der Sichtbarkeit für die FußballerInnen
0:24:37–0:24:41
gemacht hat und damit wirklich Weichen gestellt hat,
0:24:41–0:24:44
denn solche Aktivitäten hat es zuvor noch gar nicht gegeben.
0:24:44–0:24:48
Und später dann in dieser neuen Funktion beim DFB, die ich gerade angesprochen
0:24:48–0:24:51
habe, ging es dann nicht mehr nur allein um die Entwicklung und die Förderung
0:24:51–0:24:57
des Frauenfußballs, sondern tatsächlich auch um mehr Frauen in den Verbandsfunktionen.
0:24:57–0:25:01
Auch hier, das weiß ich aus vielen Gesprächen, aus vielen Netzwerktreffen,
0:25:02–0:25:07
hat Doris gegen gewisse Widerstände ankämpfen müssen mit ihrem Team, mit ihren Kolleginnen.
0:25:08–0:25:15
Gegen die alteingesessene Überzeugung einiger älterer Herren in den machtvollen
0:25:15–0:25:17
Positionen, um das mal so auszudrücken.
0:25:17–0:25:23
Und dabei ist ihr aber immer der Spagat gelungen zwischen Loyalität gegenüber
0:25:23–0:25:26
ihrem eigenen Arbeitgeber, also dem DFB,
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und dem Ziel und dem Wunsch, dieses Handlungstempo endlich zu erhöhen,
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schneller zu werden, schneller voranzukommen und diesem so wichtigen gesellschaftsrelevanten
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Feld neue Konturen zu geben.
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Doris hat eigeninitiativ Netzwerke gebildet, gefördert, hat sich immer für
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alle Belange ihrer Kolleginnen eingesetzt.
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Jetzt müssen andere ihr danach eifern, ihre Herzensangelegenheit in ihrem Sinn da weiterführen.
0:25:55–0:25:58
Ich weiß, dass das manchmal von außen durchaus leichter ist,
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weil man eine größere Unabhängigkeit hat.
0:26:01–0:26:06
Und ich als Teil der Initiative Fußball kann mehr, werde das mit Sicherheit
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in ihrem Sinne tun. weiterhin auch mit dem nötigen Nachdruck,
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Ich habe das schleichende Tempo angesprochen. Das kann alles und muss alles
0:26:17–0:26:18
viel schneller gehen, viel schneller passieren.
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Die Zeit ist reif für mehr Selbstverständlichkeit. Ja, ich werde die Doris auf
0:26:25–0:26:28
jeden Fall sehr, sehr vermissen in vielerlei Hinsicht.
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Erstens natürlich bei jeder Berührung, die ich noch in Zukunft in meinem Arbeitsumfeld
0:26:33–0:26:36
mit dem Frauenfußball habe, fehlt sie.
0:26:37–0:26:43
Und zweitens auch als Person, als Privatperson habe ich sie auch sehr, sehr schätzen gelernt.
0:26:43–0:26:47
Und ich hoffe, liebe Doris, wenn ich das noch sagen darf, im Himmel gibt es
0:26:47–0:26:54
auch frischen Kaffee, frischgepressten Orangensaft und manchmal auch die dritte
0:26:54–0:26:58
geheime Zutat, die ich an der Stelle natürlich nicht verraten werde.
Annika Becker
0:26:59–0:27:04
Ja, vielen Dank, liebe Claudia, für deine Worte. Ich bin sicher,
0:27:04–0:27:06
dass der Gruß am Ende auch angekommen ist.
Mara Pfeiffer
0:27:06–0:27:08
Mit der geheimen Zutat.
Annika Becker
0:27:08–0:27:17
Ja, 2001 war nicht nur durch den Titelgewinn gegen Schweden und das Ende der
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Nationalelf-Karriere ein spannendes Jahr,
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sondern 2001 war auch das Jahr, in dem Doris Fitschen den Schritt gewagt hat,
0:27:25–0:27:29
in die USA zu wechseln, zu Philadelphia Charge.
0:27:29–0:27:33
Sie war auch nicht die einzige deutsche Nationalspielerin oder ehemalige deutsche
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Nationalspielerin, die das in diesem Jahr gemacht hat.
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Da war ja zu dem Zeitpunkt eine Vorgängerliga zur heutigen NWSL,
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die WUSA oder ausgeschrieben in meinem Kopf ist es immer die "Wusa",
0:27:49–0:27:53
auch wenn man das so professionell nicht sagen sollte wahrscheinlich (lachen),
0:27:53–0:28:02
für eine Ablöse von 8.000 DM und einem Gehalt von 150.000 DM im Jahr zu dieser Zeit.
0:28:03–0:28:06
Und sie war nicht besonders lange da,
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also hat sich da nach vier Monaten
0:28:09–0:28:14
das Handgelenk gebrochen und dann ihre Karriere auch komplett beendet,
0:28:14–0:28:20
hat dort nur 13 Spiele absolviert für Philadelphia Charge, dabei drei Tore geschossen,
0:28:20–0:28:25
wurde dann aber trotzdem am Ende der Saison zur besten Spielerin des Jahres
0:28:25–0:28:30
gewählt und hat diese Monate in den USA immer als sehr prägend bezeichnet.
0:28:30–0:28:36
Wir würden an dieser Stelle eine ehemalige Mitspielerin von ihr aus dieser Zeit
0:28:36–0:28:44
einmal zu Wort kommen lassen, nämlich Jennifer Prozzo, damals bekannt als Jennifer Tietjen-Prozzo.
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Das war nämlich ihre Partnerin in der Innenverteidigung, wie sie euch jetzt erzählen wird.
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Wir lassen sie, würde ich sagen, einmal auf Englisch zu Wort kommen und dann
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fassen wir vielleicht danach kurz auf Deutsch das Wesentliche nochmal zusammen.
Jennifer Prozzo
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Hi, my name is Jen Prozzo. Back when I played in the WUSA for the Philadelphia
0:29:05–0:29:07
Charge, it was Jennifer Tietjen-Prozzo.
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And in the inaugural season in 2001, I was so blessed to have the opportunity
0:29:14–0:29:17
to play with Doris Fitschen, coached by Mark Krikorian.
0:29:17–0:29:22
I was so upset and so shocked to hear the news of Doris' passing.
0:29:22–0:29:28
I had no idea she was sick, and we were just heartbroken. And we connected with
0:29:28–0:29:33
some of our former teammates and just kind of shared some stories of our memories of Doris.
0:29:34–0:29:38
Doris, as you all know, was such an amazing soccer player.
0:29:38–0:29:46
She just, just by looking at her, she was a stud. She was a center back.
0:29:46–0:29:51
She was dominant in the air, dominant on the ground, dominant with her feet.
0:29:51–0:30:00
She was so strong and so tall that I was extremely lucky to have the opportunity
0:30:00–0:30:05
to play with her and alongside of her as her center back along the back four.
0:30:06–0:30:11
hen I first met Doris, I was just in awe of her ability.
0:30:12–0:30:17
he was quiet. She was so kind, but didn't speak a ton.
0:30:17–0:30:22
She just led by example and by doing on the field.
0:30:22–0:30:26
She just set the tone on the field. She just set the tone by being Doris.
0:30:26–0:30:31
And she just made you want to play for her and get the job done and make the tackles.
0:30:31–0:30:35
My goal was to be respected
0:30:35–0:30:38
by Doristo have her want me to
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play alongside of her and i was honored that i won
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the starting position with her and i was her left center back she was the right
0:30:45–0:30:51
center back and i just learned so much from her just from that initial season
0:30:51–0:30:56
that I carry that on through the rest of my playing career and into my coaching
0:30:56–0:30:59
career that i am a collegiate coach in the United States now,
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but the passion that she had for the game, the passion that she had to win just exuded from her.
0:31:07–0:31:10
And I absolutely loved my experience with her.
0:31:11–0:31:15
She was not someone that took things too lightly.
0:31:15–0:31:18
And I think it was my goal that I wanted to make her laugh and enjoy it.
0:31:18–0:31:20
And that was my way to connect with her.
0:31:21–0:31:26
I remember a time where she fell over the ball in the middle of a game,
0:31:26–0:31:29
and that was someone like Doris, and she just tripped over the ball.
0:31:29–0:31:32
And she tried to be all serious and act like nothing happened,
0:31:33–0:31:36
but I looked at her and made a little joke saying something like,
0:31:36–0:31:40
is everything okay over there? And she just laughed out loud.
0:31:40–0:31:47
And at that moment, I realized, okay, she respects me. She was okay being herself and laughing with me.
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And from that moment on, I just loved playing alongside of her. Vielen Dank.
Jennifer Prozzo
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She just knew when to step it up and to take the game over. We needed to get
0:31:57–0:32:00
a goal. She'd take the ball up and go score for us from the back.
0:32:00–0:32:05
We had to win the ball back. She would just yell, tackle. And all of a sudden,
0:32:05–0:32:07
us in the back, four in the midfield were like, oh my God,
0:32:07–0:32:08
we got to win the ball. Doris is mad.
0:32:08–0:32:10
She wants us to win the ball. We had to go find a tackle.
0:32:12–0:32:16
She just, her smile just kind of lit up the room.
0:32:16–0:32:22
Her presence, her experience as a soccer player, as a leader,
0:32:23–0:32:26
just kind of, you know, kind of just poured out of her.
0:32:27–0:32:32
And I was so blessed and so, so lucky to learn from her, to play along with
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her, to call her my teammate.
0:32:34–0:32:37
And I am so sorry to hear this news.
Annika Becker
0:32:38–0:32:43
Ja, wie ihr gehört habt, was ich ja schon anfangs erwähnt hatte,
0:32:43–0:32:46
waren die beiden eben bei Philadelphia Charge,
0:32:46–0:32:51
die beiden Innenverteidigerinnen, Doris Fitschen war die rechte Innenverteidigerin
0:32:51–0:32:55
und Jennifer Tietjen, die linke Innenverteidigerin.
0:32:55–0:33:03
Und sie erzählt, dass sie sehr beeindruckt war von Doris Fitschen als Spielerin,
0:33:04–0:33:10
weil sie eben so eine dominante Verteidigerin war und so gut am Ball und auch stark in der Luft.
0:33:10–0:33:16
Und sie erzählt dann aber vor allem auch eine Anekdote,
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die ich sehr schön fand, als sie das auch schon auf ihrem Instagram-Kanal
0:33:22–0:33:28
als Posting geschrieben hatte, dass sie eben das Verlangen hatte, es zu schaffen,
0:33:28–0:33:31
die Innenverteidigerin neben Doris Fitschen zu werden.
0:33:32–0:33:37
Also wie sie das eben gesagt hat, sie hat sich gewünscht, dass Doris möchte,
0:33:37–0:33:38
dass sie neben ihr verteidigt.
0:33:39–0:33:41
Sie wollte sie von sich und ihren Fähigkeiten überzeugen.
0:33:41–0:33:47
Und dann hatte sie das geschafft und hatte aber gleichzeitig auch das Bedürfnis, sie...
0:33:47–0:33:51
Von sich als Person zu überzeugen und sie irgendwie zum Lachen zu bringen.
0:33:52–0:33:57
Und ich habe ein bisschen in Spiele reingeguckt tatsächlich von Philadelphia Charge.
0:33:57–0:34:00
Man findet ein bisschen was bei YouTube und ich glaube, ich habe die Szene,
0:34:00–0:34:02
die sie beschreibt, auch tatsächlich gefunden,
0:34:03–0:34:08
wo Doris Fitschen über den Ball stolpert und sich dann gerade noch so fängt
0:34:08–0:34:13
und Jennifer Tietjen irgendwas zu ihr sagt und sie dann deswegen kurz lacht,
0:34:14–0:34:16
bevor sie weiterspielt, weil das Spiel war gar nicht unterbrochen.
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Und das fand auf einem nicht Rasenplatz statt, sondern auf einem sogenannten
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Astro Turf, also auf so einem Hartplatz.
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Das kann man sich heute eigentlich gar nicht mehr vorstellen,
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dass auf sowas Profispiele ausgetragen werden.
0:34:29–0:34:36
Aber man kann es eben in diesem sehr grainy, altmodischen Fernsehübertragungsvideo,
0:34:36–0:34:38
das irgendwann bei YouTube hochgeladen wurde, noch sehen.
0:34:39–0:34:45
Das fand ich sehr, sehr schön und generell auch einfach, wie Jen uns diese Geschichte
0:34:45–0:34:49
und euch auch diese Geschichte erzählt hat, weil ich finde, man kann es sich
0:34:49–0:34:51
einfach auch sofort vorstellen.
Mara Pfeiffer
0:34:51–0:34:56
Ich musste bei Philadelphia Charge natürlich auch direkt an Marinette Pichon
0:34:56–0:34:58
denken, über die wir hier auch schon gesprochen haben.
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Die haben sich allerdings knapp verpasst. Die ist da dann nämlich 2002 von Pia
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Suntage hingelockt worden.
0:35:06–0:35:11
Aber man hat das ja manchmal gar nicht so präsent, dass das eben auch schon
0:35:11–0:35:16
diese erste große Zeit in den USA war, in der sehr, sehr viel Geld auch in den
0:35:16–0:35:18
Fußball der Frauen gesteckt wurde.
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Und das ist eine Erkenntnis, die Doris Fitschen auf jeden Fall aus den USA auch
0:35:25–0:35:28
mit zurückgebracht hat nach Deutschland.
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Und zwar nicht, auch das hat sie immer wieder gesagt, dass die Spielerinnen
0:35:34–0:35:40
Diese astronomischen Gehälter bekommen sollen, die im Fußball der Männer bezahlt werden.
0:35:40–0:35:43
Im Gegenteil war sie eigentlich eine, die in Interviews auch immer wieder darauf
0:35:43–0:35:47
hingewiesen hat, wenn man über das Thema Geld im Profifußball spricht,
0:35:47–0:35:50
dann kann man gerne auch mal drüber sprechen, ob das eigentlich überhaupt sinnhaft
0:35:50–0:35:53
ist, dass Männer solche krassen Gehälter bekommen.
0:35:54–0:35:57
Und es war relativ deutlich, dass sie das eben nicht für sinnhaft hält.
0:35:57–0:36:04
Aber sie war eine große Verfechterin von einem Gehalt,
0:36:04–0:36:14
einem Mindestlohn, von dem die Spielerinnen leben können und sich auf den Fußball konzentrieren,
0:36:14–0:36:19
um den Fußball insgesamt besser zu machen.
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Dadurch, dass die Spielerinnen nicht fünf Sachen noch nebenher machen müssen.
0:36:24–0:36:28
Wobei man gleichzeitig festhalten muss, sie hat das immer geschafft.
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Das ist ja auch so ein Generationenwechsel. Beispiel, Britta Carlson hat es
0:36:33–0:36:37
ja zuletzt auch ein paar Mal gesagt, also ist es überhaupt nötig,
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dass man nichts nebenher macht.
0:36:40–0:36:44
Aber klar, wenn man eine Professionalisierung möchte, dann muss man diese Schritte
0:36:44–0:36:50
eben irgendwann gehen. Und wir hatten das schon angesprochen,
0:36:50–0:36:54
Doris Fitschen ist dann eben zum DFB gegangen.
0:36:54–0:36:58
Sie hat auch die Fußballlehrer-Lizenz gemacht, hat allerdings mal in einem Interview
0:36:58–0:37:02
gesagt, zu dem Zeitpunkt gab es da nicht viele Optionen, um als Trainerin tatsächlich
0:37:02–0:37:03
seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
0:37:04–0:37:10
Also sprich, die paar Posten, die es gab, die waren langfristig sozusagen vergeben
0:37:10–0:37:13
und für sie hat es dann gepasst, eben in den DFB zu gehen.
0:37:14–0:37:17
Ihr habt es vorhin in dem O-Ton vonClaudia ja auch schon gehört,
0:37:17–0:37:21
dass sie da also eben erst im Marketing unterwegs war und dann eben später,
0:37:22–0:37:26
als der Fußball der Frauen auch in die Anfänge der Eigenvermarktung gekommen
0:37:26–0:37:30
ist, eben sich auch auf die Suche nach passenden Sponsor*innen gemacht hat.
0:37:31–0:37:40
Und da hat sie sicherlich mit der Art und Weise, wie sie mit Menschen umgehen
0:37:40–0:37:46
konnte und mit dieser Ruhe, die sie ausgestrahlt hat, sicherlich auch ein großes Pfund gehabt.
0:37:46–0:37:51
Und wir würden euch vielleicht an der Stelle mal ein Zitat vorlesen,
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was wir von einer Hörerin bekommen haben, wo es genau um diese Ausstrahlung
0:37:57–0:37:58
von Doris Fitschen nämlich geht.
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Genau, das hat uns CSET geschrieben. Vielen herzlichen Dank dafür.
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In der Zeit nach der Spielerinnenkarriere war sie dann nicht nur beim DFB, sondern war außerdem,
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ihr erinnert euch bestimmt, von 2001 bis 2004 auch als Expertin bei der ARD
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und ab 2008 dann als Marketingleitung im Orga-Komitee der Heim-WM 2011.
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Die Heim-WM 2011 gehört sicherlich auch zu den Punkten,
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für die sie dann die ein oder andere Kritik einstecken musste,
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sowie für diese WM, da sie eben am Ende nicht so erfolgreich verlaufen ist,
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wie man sich das vorher ausgemalt hatte.
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Glaube ich, also kreuz und quer durch den DFB fast alle, die die Finger da irgendwie
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mit drin hatten, Kritik einstecken mussten.
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Ab 2009 war sie dann bis 2016 Managerin der Nationalelf, hat da natürlich auch
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nochmal Erfolg an vielen Titeln in einer sehr, sehr erfolgreichen Zeit dieses Teams gehabt.
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Und ab 2022 war sie dann eben Gesamtkoordinatorin Frauen im Fußball und hauptverantwortlich
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für die Strategie Frauen im Fußball FF27.
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Diese Stelle ist damals neu geschaffen worden und man kann sicher sagen,
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dass das keine sehr dankbare Aufgabe war, so würde ich es mal nennen,
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in diesem großen Aparillo,
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der der DFB nun mal ist.
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In so einer kleinen Einheit einerseits sicherlich gut mit vertrauten Menschen,
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die alle in dieselbe Richtung wollen, zusammenarbeiten zu können.
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Aber dann immer, wenn man also aus dieser Gruppe raustritt, in den großen Apparat
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rein und versucht, die ganzen Ideen, die man hat.
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Ja, weiter hoch quasi zu eskalieren, sodass sie auch in eine Umsetzung kommen,
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hat sie da sicherlich keine leichte Position gehabt, so würde ich es mal sagen.
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2019 wurde erstmals bei ihr Krebs diagnostiziert, im April.
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Sie hat darüber auch sehr offen eigentlich gesprochen, also gerade in dieser Anfangszeit.
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Sie hat in einem Interview darüber gesagt, "ich kann jetzt nicht hadern,
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warum passiert mir das? Meine Chance ist jetzt nach vorne zu schauen."
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Hat immer auch betont, wie wichtig ihre Familie und ihre Freund*innen für sie
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sind und was sie für eine große, große Unterstützung erfahren hat.
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Und dass es eben vor allen Dingen deswegen ein Schock war, weil sie mit gar
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nichts gerechnet hatte. Sie hatte eben Schmerzen und hat dann später gesagt,
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"ich war topfit, mir ging es richtig gut.
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Und plötzlich bist du Krebspatient. In den sechs Wochen nach dem Erstverdacht
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hatte ich die Zeit, mich auf die endgültige Diagnose vorzubereiten.
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Darum war es dann nicht der ganz große Schock, weil ich damit rechnen konnte."
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Aber natürlich ist das ja eine lebensverändernde Diagnose.
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Und der Krebs, den sie hat oder hatte, da gibt es zwei bis drei Fälle auf eine Million Menschen.
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Sie musste dann alle drei Monate zu den Kontrollen, hat auch mal in einem Interview
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gesagt, dass es dann bei der ersten Kontrolle direkt einen Schock gab,
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weil sich einige Lymphknoten verändert hatten und es eben einen Verdacht gab,
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der Krebs könnte doch gestreut haben.
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Aber toi, toi, toi war dann damals ihre eigene Aussage, dass sich das nicht bewahrheitet hat.
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Und am Ende muss man aber sagen, hat sie den Kampf gegen diese Krankheit am 15.
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März dann doch verloren. Die DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich hat in der
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Meldung des DFB gesagt, "Doris war ein Vorbild an Empathie und Zugewandtheit.
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Für das gesamte Haus kann ich sagen, unsere Herzen sind sehr schwer.
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Wir fühlen große Trauer."
Annika Becker
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Ja, dem können wir beide uns auf jeden Fall anschließen.
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Und ich würde sagen, wir hören jetzt mal in eine weitere Nachricht rein,
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die wir bekommen haben, nämlich von der lieben Nina Potzel.
Nina Potzel
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Doris Fitschen, ey, voll krass, ich hatte das gar nicht mitbekommen Sonntag,
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war ich gerade im Auto auf dem Weg zum Viktoria-Spiel, weil wir da halt am Sonntag
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wieder gespielt haben und dann bekam ich irgendwie eine WhatsApp von unserer
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Spieltags-Orga sozusagen, ja Nina, ey, lass uns mal nochmal kurz quatschen,
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wir wollen eine Gedenkminute noch irgendwie einbauen vor dem Spiel.
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Okay, was ist denn da passiert und ja, bin dann angekommen und habe dann mein
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Handy gecheckt und dann habe ich gesehen boah, krass, ja, Doris Fitschen ich
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hatte ja mal mit ihr gesprochen für einen Podcast,
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im Interview, wir haben dann eine XXL-Folge draus gemacht, weil das wirklich
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so spannend war, was sie erzählt hat und was ich so toll fand, war irgendwie,
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wirkte sie auf mich, es war nur das eine Mal dass wir miteinander gesprochen
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haben, aber sie wirkte so direkt auf mich,
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so als hätte sie so eine richtige No-Bullshit-Attitüde Also das fand ich irgendwie
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total toll und wir wissen ja alle, DFB,
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die Mühlen malen langsam und da fand ich, war das irgendwie voll gut zu wissen,
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dass sie halt eine ist, die da ja schon rangeht und sie hat das gesagt,
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ich habe das gerade auch nochmal nachgehört,
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ihre Stelle als Gesamtkoordinatorin war dann eben Synergienbündeln.
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Ist natürlich auch so ein bisschen verpackt, aber irgendwie hatte ich ja das
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Gefühl, dass sie da wirklich was anpackt und dass sie Dinge klar benennt.
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Ja, das fand ich wirklich, wirklich toll und so rückblickend eben,
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auch wenn ich mich selber eben erst relativ spät mehr mit dem Fußball der Frauen
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auseinandergesetzt habe.
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Ihre Bedeutung sowohl sportlich als eben später auch als Managerin und so,
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wird mir jetzt erst so richtig, glaube ich, bewusst und das ist irgendwie krass.
Annika Becker
0:44:50–0:44:56
Ja, ich kann an dieser Stelle schon mal sagen, dass es mir tatsächlich relativ ähnlich ging,
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also sowohl mit der direkten Situation am Sonntag, dass es mich sehr überrascht
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und dann auch geschockt hat, weil ich habe es nämlich nicht direkt mitbekommen,
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als es morgens vermeldet wurde,
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sondern erst im Laufe des Tages und bin dann doch irgendwie ziemlich aus allen Wolken gefallen.
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Aber auch Ähnlichkeiten gibt es da bei der Entdeckung, sag ich mal,
0:45:21–0:45:26
der Fußballspielerin Doris Fitschen, weil ich bin mir eigentlich ziemlich sicher,
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dass ich bestimmt noch Spiele gesehen habe, bei denen sie aktiv dabei war,
0:45:31–0:45:33
aber ich habe nicht so richtig eine bewusste Erinnerung daran,
0:45:34–0:45:37
weil ich ein Kind war und als Kind guckt man immer, wer die Tore schießt.
0:45:37–0:45:42
Und ich habe dann aber, ähnlich wie Franzi, ich würde sagen,
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wir spielen dann an dieser Stelle auch einfach direkt mal Franzi ein,
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die liebe Franziska Blendin von Legende verloren.
Franziska Blendin
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Für mich war im Erleben des Fußballs der Frauen auf jeden Fall Doris Fitschen eins der Gesichter.
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Und ich habe jetzt gerade viel zur Europameisterschaft 1989 recherchiert.
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Und da ist sie natürlich einer der entscheidenden Elfmetertorschützinnen vom
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Halbfinale gegen Italien, sodass Deutschland dann ins Finale einziehen konnte.
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Und ich hatte sie leider nie live im Stadion als Spielerin [gesehen], weil dafür bin ich ein bisschen zu jung.
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Aber das war sehr, sehr cool, das mal zu sehen und sie auch spielen zu sehen.
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Einfach was für eine beeindruckende Leistung Ende der 80er da schon auf dem Feld war.
Annika Becker
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Ähnlich nämlich wie Franzi und Nina das beschreiben, habe ich sie eben bewusst
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nicht mehr Fußballspielen gesehen, aber hatte dann eben nachträglich so diesen Impuls,
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irgendwann vor ein paar Jahren mal mir so von großen ehemaligen deutschen Spielerinnen
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oder Namen, die man immer so hört, die man immer so kennt, nachträglich Spiele
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anzuschauen, soweit das eben geht.
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Also zu gucken, was man finden kann und fand das sehr interessant.
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Also vor allem auch so ein bisschen hat man das ja auch bei Jen vorhin rausgehört,
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dass sie eigentlich eine sehr spannende, aus sportlicher Sicht, Zeit mitgemacht hat.
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Nicht nur, was so diese Entwicklung des Fußballs der Frauen angeht,
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sondern auch taktische Entwicklungen, also die Positionswechsel,
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die sie mitgemacht hat und wie sich ihre eigene Rolle auf dem Platz auch verändert
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hat von Libero, Libera zu,
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was man heute klassisch sagen würde,
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Innenverteidigerin, das ist ja schon auch nochmal ein bisschen was anderes.
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Das ist sowas, das interessiert mich immer sehr, wie da so die Verläufe sind
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im Fußball der Frauen im Vergleich zum Fußball der Männer, weil das nicht so
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wirklich betrachtet wird häufig und ich...
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Guckt mir das dann immer gerne an. Und so richtig bewusst wahrgenommen habe
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ich sie dann eben in dieser Zeit als Teammanagerin mit Sylvia Neid.
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So das dynamische Du, die beiden hat man ja auch total oft zusammen gesehen.
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Ich habe auch Fotos rausgesucht. Also wir werden bei der Bollstribüne auch eine
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Bilderstrecke parallel veröffentlichen.
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Da könnt ihr so ein bisschen gucken, so gut es eben geht.
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Also alle Stationen können wir da leider nicht abdecken, aber doch einige.
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Und da gibt es natürlich auch das ein oder andere schöne Foto zusammen mit Sylvia Neid.
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Aber ja, wie ging es dir denn? Was sind Erinnerungen oder Assoziationen, die du hast?
Mara Pfeiffer
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Also zum einen, was du gerade auch gesagt hast, die Zeit als Teammanagerin.
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Ich bin ja auch nicht von klein auf im Fußball der Frauen so mit drin gewesen.
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Ich erinnere mich, dass so meine ersten Eindrücke immer so waren.
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Da stehen so eine kleine und so eine lange Blonde.
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Und Silvia Neid war halt die Kleine natürlich und Doris Fitschen die Große.
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Und ich fand tatsächlich auch, dass sie so eine Ruhe ausgestrahlt hat.
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Und ja, ich habe auch so überlegt, du und ich, wir waren ja Anfang letzten Jahres
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mal bei einer Zusammenkunft im DFB, wo es eben auch so um die Zukunft des Fußballs der Frauen geht.
0:49:27–0:49:31
Und ich erinnere mich halt,
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dass wir in so Gruppen dann auch gearbeitet haben und dass es eine Gruppe gab,
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wo ich dann mit ihr unter anderem am Tisch saß und dass ich fast so ein bisschen
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so eine Ungeduld hatte damit,
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wie diplomatisch sie Dinge angeht.
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Und ich habe da später viel drüber nachgedacht, weil diese Ungeduld eigentlich
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auch ein Stück weit arrogant ist, weil man wahrscheinlich in der Position, in der sie war
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außer mit Diplomatie tatsächlich gar nichts erreicht.
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Ich glaube, es gibt, und auch zu Recht, wenn man von außen drauf schaut,
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immer so den Wunsch, dass Dinge schneller passieren müssen.
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Claudia hat es ja in ihrer Nachricht auch angesprochen und letztlich gehört
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das ja dann auch in unsere Rolle so, wenn wir von außen drauf schauen,
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dass wir sagen, jetzt mach doch mal, jetzt kommt doch mal aus dem Quark.
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Aber ich glaube, in dem Moment, wo man dann drinnen drauf schaut,
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ist diese Diplomatie und diese Beharrlichkeit wahrscheinlich der einzige Weg.
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Und vielleicht macht man sich das dann gar nicht in jeder Sekunde bewusst,
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wie anstrengend so eine Rolle wie die von Doris Fitschen, ich habe es vorhin
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schon angesprochen, in so einem Apparat, wo man jetzt auch nicht alle immer
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für das eigene Thema begeistern kann eigentlich ist.
Annika Becker
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Ja, also mein persönlicher Eindruck von der Veranstaltung, aber auch so,
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wenn sie öffentlich aufgetreten ist, ist auf jeden Fall auch der von so einer
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in sich Gefestigtheit und gleichzeitig aber auch so einer Offenheit.
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Also so das Gefühl, ich kann Dinge ansprechen oder an diese Person herantragen,
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von denen ich weiß oder die Vermutung habe, dass sie vielleicht dem Gegenüber
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erstmal nicht unbedingt gefallen, aber mir wird zugehört.
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Und dann kann man darüber diskutieren und dann schaut man weiter.
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Und das war ein ganz starker Eindruck, den ich hatte.
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Und ähnlich wahrgenommen hat das unter anderem auch Juliane Meuser,
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die ihr sicherlich kennt von dem Podcast Lottes Erbinnen.
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Auch sie hat uns eine Sprachnachricht geschickt, in die hören wir auch kurz rein.
Juliane Meuser
0:52:08–0:52:14
Ja, meine Erinnerung in Doris Fitschen hat tatsächlich weniger mit ihrer Spielerinnenkarriere
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zu tun, da habe ich noch nicht so geguckt,
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sondern mit ihrer Funktionärstätigkeit.
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Und zwar war ich mal vor vielen Jahren bei so einem Videocall vom DFB.
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Die haben so ein paar, sagen wir mal, kritische Stimmen eingeladen,
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um sie zu fragen, was man so verbessern könnte, was sie stört.
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Was im Bereich Fanszene oder auch Podcasts, Social Media.
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Und da war unter anderem auch sie dabei. Klar, als Funktionärin erkennbar.
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Aber ich fand es eigentlich ganz schön, dass sie auch sie das ernst genommen
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hat und sie doch zugehört hat.
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Und sie hat da einen sympathischen Eindruck hinterlassen.
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Wie gesagt war natürlich jetzt klar,
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warum sie da war, aber war schön.
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Ja, ich fand es gut und das ist so meine Erinnerung an sie.
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Ansonsten hat man sie natürlich auch mal so bei Fußballspielen gesehen.
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Im Frauenfußball ist man ja, ichmanchmal näher dran.
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Die Stadien sind ja klein, da kann es schon mal sein, dass man auf einmal neben
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den Leuten sitzt oder fast neben den Leuten.
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Und ja, möge sie in Frieden ruhen.
Annika Becker
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Ja, danke liebe Jule dafür. Und gleichzeitig wollte ich auch noch sagen,
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dass wenn man sie dann so persönlich mal vor sich hatte und getroffen hatte,
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der erste Eindruck das vielleicht nicht unbedingt war, aber man dann festgestellt hat,
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was für eine humorvolle Person das einfach auch war, die dann so völlig unvermittelt
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einfach mal irgendeinen Spruch raushaut oder einen Kommentar zu irgendwas und
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alle finden das in der Situation lustig.
Mara Pfeiffer
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Ja, absolut. Es gab ja dann noch eine Abschlussrunde, wo wir dann am Schluss
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noch alle zusammensaßen und auch noch was irgendwie zusammen gegessen und getrunken
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haben und das war sehr unterhaltsam.
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Und ja, es ist auch tatsächlich so, dass mir das sehr in Erinnerung bleiben
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wird und dass das auch so die intensivste Erinnerung war natürlich,
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die ich im ersten Moment hatte,
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als ihr Tod verkündet wurde medial am Sonntag.
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Ich habe im ersten Moment ehrlich gesagt gedacht, das ist ein Fehler,
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da kann irgendwas nicht stimmen.
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Es kam irgendwie, weil man nicht wusste, dass es ihr eben wieder schlecht ging, so aus dem Nichts.
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Aber es ist so, wie es eigentlich in all den Nachrichten, die wir bekommen und
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hier abgespielt haben, angeklungen ist.
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Der Fußball der Frauen verliert eine seiner engagiertesten und langjährigsten Kämpferinnen.
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Und alle, die sich dem Fußball der Frauen verbunden fühlen und natürlich alle,
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die Doris Fitschen privat verbunden waren, verlieren einen wertvollen Menschen.
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Und wir hoffen, dass wir mit dieser Sendung heute, die sicherlich aus dem Rahmen
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fällt gegenüber dem, was wir sonst machen, die uns aber sehr wichtig war,
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ein bisschen dazu beitragen können und konnten, dass Leute Lust haben,
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sich nochmal an sie zu erinnern und über ihr Leben und ihr Wirken nachzudenken.
Annika Becker
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Ja, vielen Dank von uns an euch fürs Zuhören.
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Wir hoffen, ihr kommt alle gut durch die nächsten beiden Wochen und passt gut
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auf euch auf. Bis ganz bald.

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